Anonym, Oskar Kokoschka à l’Ecole du regard, Salzburg, ca. 1953, © Vevey, Fondation Oskar Kokoschka

BIOGRAFIE

1886–1909
Jugend und Studienjahre

Oskar Kokoschka wurde am 1. März 1886 als zweites Kind des Handelsreisenden Gustav Kokoschka, der aus einer Prager Goldschmiedefamilie stammte, und der aus dem steirischen Voralpenland gebürtigen Försterstochter Maria Romana, geb. Loidl, in Pöchlarn an der Donau (Niederösterreich) geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Wien.

1904 trat er in die Wiener Kunstgewerbeschule ein und 1905–1906 erstanden seine ersten Ölgemälde. Noch als Studierender wurde er von der Wiener Werkstätte mit der Gestaltung mehrerer Postkarten beauftragt. Dabei malte Kokoschka flächige Motive in lebhaften, kontrastreichen Farben in einem dekorativen Stil, von dem er sich später distanzierte. Ebenfalls in dieser Zeit verfasste er mehrere Gedichte in Prosa, Dramen und Theaterstücke. Sein Erstlingswerk Die träumenden Knaben, das 1908 erschien, weckte sofort das Interesse seiner Künstlerkollegen und war stilistisch ein Meilenstein in der Entwicklung des Expressionismus.

Kokoschka, der als Enfant terrible galt, wurde schnell in die Wiener Kulturszene aufgenommen und beteiligte sich an den grossen Ausstellungen der Moderne, die von Gustav Klimt und Josef Hoffmann ausgerichtet wurden (Kunstschau Wien 1908 und 1909). 1909 fand zudem die Uraufführung seines Dramas Mörder, Hoffnung der Frauen statt, das durch seinen exaltierten und höchst expressiven Stil einen Skandal auslöste.


Anonym, Album mit drei Fotos der Familie Oskar Kokoschkas𝂇, dazu eine lose eingelegte Fotografie Oskar Kokoschka in Uniform und sein Bruder Bohuslav mit ihrer Schwester Berta in der elterlichen Wohnung in Wien, Wien, Universität für angewandte Kunst, Oskar Kokoschka-Zentrum, OKV/Album10/FP, Reproduktion Birgit und Peter Kainz

Almanach der Wiener Werkstätte, Wien Wiener Werkstätte; Leipzig, Verlag Brüder Rosenbaum, 1911.jpg

Almanach der Wiener Werkstätte𝂇, Doppelseite mit einer Illustration von Oskar Kokoschka, Wien und Leipzig, Rosenbaum, [1911], persönliche Sammlung von Oskar Kokoschka, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka

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Der Sturm, Wochenschrift für Kultur und die Künste𝂇, Titelseite, Illustration von Oskar Kokoschka für Mörder, Hoffnung der Frauen, 1910, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka

1910–1923
Bestätigung, Aufträge und Lehrtätigkeit

Die Jahre nach 1910 waren von zahlreichen Auslandaufenthalten geprägt. Zunächst reiste Kokoschka seinem Förderer und Mäzen, dem Architekten Adolf Loos, in die Schweiz nach. Dank dessen Fürsprache erhielt er mehrere Aufträge und malte insbesondere im Sanatorium in Leysin Porträts von tuberkulösen Adeligen.

Später reiste er nach Berlin, um Herwarth Walden bei der Herausgabe der Wochenzeitschrift Der Sturm zu unterstützen. In dieser avantgardistischen Publikation veröffentlichte Kokoschka neben seinem Drama Mörder, Hoffnung der Frauen auch zahlreiche Zeichnungen. Ebenfalls in dieser Periode illustrierte er mehrere Werke: Tubutsch von Albert Ehrenstein (1911), Die chinesische Mauer von Karl Kraus (1913), aber auch sein eigenes Buch Der gefesselte Kolumbus (1913). Kokoschka bekräftigte seine Absicht, mit dem Konservatismus zu brechen, und beteiligte sich 1911 an einer Hagenbund-Ausstellung in Wien. Dank seiner Ausbildung kam für den Künstler auch eine Lehrtätigkeit an verschiedenen Institutionen in Frage, und so trat er im Herbst 1911 eine Stelle als Zeichenlehrer an der privaten Mädchenschule von Eugénie Schwarzwald an, dann ein Jahr später als Assistent für allgemeines Aktzeichnen an der Wiener Kunstgewerbeschule.

1912 begann Kokoschka eine Liebesbeziehung mit Alma Mahler. 1913 reisten sie zusammen nach Italien, und er malte sich an der Seite seiner Geliebten im berühmten Gemälde Die Windsbraut. Die definitive Trennung von Alma Mahler im Jahr 1915 trieb ihn dazu, sich freiwillig zum Kriegsdienst beim 15. k. u. k Dragonerregiment zu melden. An der ukrainischen Front erlitt Kokoschka schwere Verwundungen durch einen Kopfschuss und einen Bajonettstich in die Brust. Im darauffolgenden Jahr war er an der Isonzo-Front wieder im Kriegseinsatz und wurde durch eine neben ihm explodierende Granate erneut verwundet.

Kokoschka verbrachte seine Rekonvaleszenz in Dresden, wo er sich von der elektrisierenden Dynamik der dortigen Kulturszene mitreissen liess. 1919 erhielt er eine Professur an der Dresdner Akademie für Künste. In dieser Zeit liess er auch eine lebensgrosse Puppe in der Gestalt seiner ehemaligen Geliebten Alma Mahler fertigen. Seine Bühnenwerke Der brennende Dornbusch und Hiob wurden am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt.

Marta Wolff, Oskar Kokoschka sitzend mit angehobenen Händen𝂇. Mit einer Widmung von Oskar Kokoschka an Nell Walden: «Zur Erinnerung / der lieben Freundin Nell Walden / 21.9.16. Oskar Kokoschka», Berlin, 1916, Wien, Universität für angewandte Kunst, Oskar Kokoschka-Zentrum, OK/FP/P/31, Reproduktion Birgit und Peter Kainz

Oskar Kokoschka, Der brennende Dornbusch. Mörder Hoffnung der Frauen, Leipzig, Kurt Wolff Verlag, 1917𝂇, persönliche Sammlung von Oskar Kokoschka, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka

Oskar Kokoschka-Sonderheft, in: «Das Kunstblatt», hrsg. von Paul Westheim, Oktober 1917𝂇, 10, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka, FOK 412

1924–1945
Reisen und Exil

Ausgestattet mit einem Vertrag mit dem Galeristen Paul Cassirer, der sich dazu verpflichtete, ihm alle zukünftigen Gemälde abzukaufen, verliess Kokoschka Dresden und nahm ein Nomadenleben auf, das ihn quer durch Europa, Kleinasien und Nordafrika führte.

1934 hielt er sich in Prag auf, wo er zahlreiche Stadtansichten malte und seine zukünftige Frau Oldriska-Aloisie, genannt Olda, kennenlernte. Dank seiner Freundschaft mit dem Gründungspräsidenten der Tschechoslowakei, Tomáš G. Masaryk, erhielt er die tschechische Staatsbürgerschaft. An der Münchner Ausstellung ‘Entartete Kunst’ 1937 war Kokoschka mit acht Werken vertreten. Ein Jahr später floh er nach Grossbritannien, wo er während des Kriegs im Exil blieb und abwechselnd in London, Cornwall und Schottland weilte. In dieser Zeit schuf er insbesondere zahlreiche Farbstiftzeichnungen sowie allegorische Gemälde, in denen er Bezug auf die politische Situation nahm.

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Marianne Bergler, Oskar Kokoschka in seinem Atelier, Wien, 1934, in: Die Bühne, 1934𝂇, Wien, Universität für angewandte Kunst, Oskar Kokoschka-Zentrum, OK-Per 973/B, Reproduktion Birgit und Peter Kainz

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Anonyme, Olda und Oskar Kokoschka, Prag, 1936–1937, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka

Studio Alfred Carlebach, Das rote Ei (1940–1941)𝂇, Werkfotografie mit Autograph Oskar Kokoschka, Wien, Universität für angewandte Kunst, Oskar Kokoschka-Zentrum, 4049/FW/Aut, Reproduktion Wien, Leopold Museum

1946–1962
Grosse Projekte

Kokoschka erlangte nach Kriegsende die britische Staatsbürgerschaft (1947). Danach folgten grosse Ausstellungsprojekte: Kunsthalle Basel (1947) und Kunsthaus Zürich; Biennale in Venedig (1948), wo er mit 16 Gemälden vertreten war; Museum of Fine Arts in Boston (1948); Museum of Modern Art in New York (1949); Tate Gallery in London (1962); Kunsthaus Zürich (1966).

Kokoschka schuf zudem monumentale Triptycha: Die Prometheus-Saga für den Londoner Stadtpalast von Antoine Graf Seilern (1950) und Die Thermopylen für die Universität Hamburg (1954).

1953 war in mehrfacher Hinsicht ein Schlüsseljahr für den Künstler. Zum einen eröffnete Kokoschka seine Internationale Sommerakademie in Salzburg, wo er die «Schule des Sehens» unterrichtete. Zum andern zog er in die Villa Delphin in Villeneuve, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1980 wohnen blieb.

In dieser Periode engagierte er sich auch aktiv fürs Theater und entwarf Bühnenbilder und Kostüme für Die Zauberflöte von Mozart (1955 und 1965), A Midsummer Night’s Dream von Shakespeare (1956, nicht aufgeführt), Moisasurs Zauberfluch (1960) und Die gefesselte Phantasie (1962) von Ferdinand Raimund, sein eigenes Stück Orpheus und Eurydike (1960) sowie Un ballo in maschera von Giuseppe Verdi (1963).

1960 wurde Kokoschka mit dem Erasmus-Preis in Kopenhagen und einem Ehrendoktortitel der Universität Oxford ausgezeichnet.

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Olda Kokoschka, Register of drawing notebooks𝂇, Doppelseite über die Notizbücher, die 1959 in London im Victoria & Albert Museum und 1949 in Rom in der Villa Borghese hergestellt wurden, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka

Anonyme, Oskar Kokoschka an der Schule des Sehens, Salzbourg, ca. 1953𝂇, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka

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Bericht über Kokoschka in der Zeitschrift «Bertelmann Drei», 1958𝂇, 2, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka

Ferdinand Raimund, Moisasurs Zauberfluch𝂇, Bühnen- und Hörspielfassung von Herbert Johannes Holz, mit Bemerkungen und Zeichnungen von Oskar Kokoschka, Zürich, Leipzig und Wien, Amalthea, 1958, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka, FOK 2282

1963–1980
Die graphischen Serien der Nachkriegszeit

Die 1960- und 1970-Jahre waren geprägt durch die Realisierung zahlreicher Mappen mit Lithografien und Radierungen. Kokoschka illustrierte mit einer grossen narrativen Freiheit Shakespeares King Lear, Die Odyssee von Homer, Die Frösche von Aristophanes, Penthesilea von Kleist, Die Troerinnen von Euripides, Pan von Knut Hamsun und Einstein überquert die Elbe bei Hamburg von Siegfried Lenz, wobei in diesen Werken seine vielfältigen Einflüsse zum Ausdruck kommen – insbesondere jene der Antike, seinem grossen künstlerischen Vorbild.

Kokoschka unternahm auch in diesen Jahren noch sehr viele Reisen und fuhr nach Griechenland, Italien, Deutschland und England, aber auch nach Tunesien, Libyen, die Türkei und Marokko oder nach New York und Jerusalem, von wo er mehrere Serien von Zeichnungen zurückbrachte, die er später in Lithografien übertrug. Diese handlicheren Formate hinderten ihn jedoch nicht daran, auch umfangreichere und prestigeträchtige Aufträge anzunehmen, wie 1966 ein Porträt des ehemalischen deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer oder eine Ansicht der geteilten Stadt Berlin, wie sie sich vom Springer-Turm aus präsentierte.

Für Kokoschka war nun auch die Zeit gekommen, Bilanz zu ziehen: 1971 veröffentlichte er seine Autobiografie, ab 1973 erschienen vier Bände mit Schriften Kokoschkas und dann nach seinem Tod ausgewählte Teile seiner Korrespondenz.

1974 erhielt er die österreichische Ehrenstaatsbürgerschaft. Am 22. Februar 1980 starb Oskar Kokoschka im Spital von Montreux in der Schweiz an einem Hirnschlag.

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Werbeprospekte für verschiedene Radierungenalben von Oskar Kokoschka, 1969–1970𝂇, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka

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Anonyme, Olda knöpft Oskar Kokoschka’s Hemdkragen, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka

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Derry Moore, Oskar Kokoschka mit Muschel, Villeneuve, 1975𝂇, Wien, Universität für angewandte Kunst, Oskar Kokoschka-Zentrum, OKV/1848/FP, Reproduktion Birgit und Peter Kainz, © Derry Moore

1981–2004
Olda Kokoschka und die Gründung der Stiftung

Olda Kokoschka, die Witwe des Künstlers, gründete 1988 die Fondation Oskar Kokoschka und stattete diese mit den Werken aus ihrem Besitz aus. In den folgenden Jahren erweiterte sie die Sammlung der Stiftung mit Schenkungen und Zukäufen. Die Stiftung verfügt in einem Flügel des Musée Jenisch in Vevey über mehrere permanente Säle, wo sie ihre Ausstellungen ausrichten kann.

Olda schenkte der Zentralbibliothek Zürich den schriftlichen Nachlass und dem Oskar Kokoschka-Zentrum in Wien den Fotonachlass und die Bibliothek des Künstlers. Pöchlarn, die Heimatstadt von Kokoschka, richtete im Geburtshaus des Künstlers ein Museum ein.

Olda Kokoschka starb am 22. Juni 2004.

Geprägte Ateliermarkierung auf einem Werk von Oskar Kokoschka, Vevey, Fondation Oskar Kokoschka